Der Test: Wie findet man eine/n gute/n Technische/n Redakteur/in?

Wenn ein Unternehmen eine/n gute/n Technische/n Redakteur/in sucht, besteht durchaus die Gefahr, dass nach erfolgter Auswahl die Katze im Sack gekauft wurde. Um dies zu vermeiden, haben Unternehmen die ein oder andere Methode entwickelt, um diese gefährliche Klippe zu umschiffen. Üblich ist es daher, sich Arbeitsproben vorlegen zu lassen, oder es liegt „zufällig“ ein Handbuch auf dem Tisch, das der Anwärter auf die Schnelle doch einmal analysieren und beurteilen möge. Aber es geht auch anders.

Eine besondere Herangehensweise erlebte ich vor kurzem bei einem Software-Unternehmen, das die Eignung zum Technischer Redakteur mit einem Test feststellen wollte. Feine Sache dachte ich und war neugierig darauf, was denn da kommen möge. War doch der Tenor bei dem ersten Gespräch, dass mit dem Test nicht nur das Unternehmen festestellen könne, wie ich arbeite, sondern dass ich im Gegenzug auch erkennen könne, wie die Dokumentation in dem Unternehmen erstellt wird. Als die E-Mail mit dem Test kam, war ich dann doch erstaunt, was darin zu finden war.

In einer Word-Datei, bestehend nur aus den Standard Word-Formatvorlagen, mit einem Logo in die Kopfzeile gequetscht und dem Unternehmensnamen in der Fußzeile zentriert, befanden sich zwei Screenshots und fünf Zeilen Text, dem offensichtlich der Gebrauch von konsistenter Terminologie fremd war. Der Text beschrieb (wahrscheinlich), was auf dem ersten Screenshot zu sehen war, was insofern hätte helfen können, da der erste Screenshot so unscharf war, dass praktisch nichts Sinnvolles darauf zu erkennen war. Die zweite Grafik zeigte einen scharfen Auschnitt von einem Bildschirm, aber es war unmöglich zu erkennen, ob hier ein Detail vom ersten Screenshot vorlag oder etwas komplett anderes gezeigt wurde.

Die Aufgabe bestand nun darin, eine Gliederung für das Handbuch vorzuschlagen, entsprechenden Text zu produzieren und eine auslieferbare PDF-Datei zu erstellen. Dafür sollte nicht mehr als drei Stunden benötigt werden.

Was tun? Zuerst einmal stellte sich mir die Frage, was mit den drei Stunden anfangen? Es boten sich folgende Möglichkeiten an:

  • eine Word-Dokumentenvorlage erstellen,
  • den unscharfen Screenshot so lange zu bearbeiten, bis etwas erkennbar wäre, was einen Sinn ergeben würde,
  • Recherche im Internet betreiben, um herauszufinden, was denn die zu dokumentierende Software tatsächlich für eine Funktion hat,
  • die Rechercheergebnisse mit den fünf Zeilen Text vergleichen, um in der Lage zu sein, irgendeine Form des gewünschten Textes zu produzieren,
  • eine Gliederung kreieren, die mehr enthält als „Bildschirm 1“, „Bildschirm 2“,
  • beim Unternehmen anrufen und fragen, ob ich denn das richtige Dokument erhalten hätte,
  • usw.

Ich entschloss mich, dies alles nicht zu tun.

Der Deal war, dass ich zeige, was ich kann, wenn auch das Unternehmen zeigt, was es kann. Wenn eine so schludrige Word-Datei nach außen gegeben und keinerlei Mühe darauf verwendet wird, darauf zu achten, wie die Wirkung eines solchen Dokuments sein könnte, dann fehlt da meines Erachtens doch noch ein ganze Menge. Letzten Endes ist es da nicht verwunderlich, dass die verwaschenen Screenshots auch auf den öffentlichen Produktflyern massenhaft zu finden sind.

Und dann schrieb ich eine E-Mail. Darin enthalten waren einige Vorschläge, wie denn der „Test“ verbessert werden könnte.

Als Technische/r Redakteur/in muss man wirklich aufpassen, dass man nicht die Katze im Sack kauft.

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